Ratgeber zu Ohrgeräuschen und Geräuschempfindlichkeit erscheinen regelmäßig auf dem Markt. Aus berufenem Munde sind diese indes oft rar. Der neue Ratgeber Tinnitus und Hyperakusis (Hogrefe, ISBN 978-3-8017-1824-4) ist eine spannende Ausnahme. Gehören die Autoren doch zu den erfahrenen Therapeuten auf diesem Gebiet. Gerhard Goebel war lange Jahre Chefarzt der Klinik Roseneck in Priem/Chiemsee und ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Tinnitus-Liga. Carl Thora leitet seit 2002 das Tinnitus-Beratungszentrum TIBEZ in München.
Das Buch führt zunächst in die Krankheitsbilder ein und wirft einen detaillierten Blick auf das Ohr. Der Bereich nimmt rund ein Drittel des Buches ein. Das macht Sinn, denn das Hörorgan ist äußerst komplex, und Sachaufklärung tut insbesondere bei dem Phänomen Tinnitus aufgrund der Komplexität not. Gut erklärte Details (z.B. Misophonie und Phonophobie) räumen auf im Wirrwarr der Fachbegriffe und helfen dem Betroffenen letztlich auch zu mehr Klarheit in der Arzt-Patienten-Situation. Sehr schön, auch wenn nicht neu: Kurze Merksätze fassen zentrale Information gut zusammen. Diese gute Strukturierung macht die Lektüre selten langweilig, nicht zuletzt da auch spannende thematische Abstecher zu finden sind. So gibt z.B. der Abschnitt über kulturhistorische Beispiele gute Einblicke in die Welt berühmter Betroffener oder klärt über Tinnitus und Aberglaube auf. Da macht es einfach Spaß, abseits der üblichen Aspekte etwas zu Tinnitus und Hyperakusis zu lesen.
Das Kapitel der Ursachenforschung geht weit über landläufige Ansätze (Erkrankung Innenohr, Stress, Verspannungen) hinaus. Selbst seltene Phänomene wie Hydrops finden Beachtung. Dabei wahren die Autoren stets eine wohltuende Balance zwischen notwendigen Fachbegriffen und medizinischen Details einerseits sowie guter Lese- und Verständlichkeit andererseits. Die Zielgruppe wird es danken. Auch Darstellungen z.B. des Teufelskreislaufs beim Tinnitus und wie dieser durchbrochen werden kann sind schlüssig aufgezeigt. Hier leistet das Buch einmal mehr Hilfestellung: Legt es doch dar, dass Hilfe möglich ist, dass es besser wird mit der Zeit. Betroffene, die sich in Arztpraxen oft mit dem Satz „Da kann man nichts machen“ konfrontiert sehen, werden die Leistung des Buches in dieser Hinsicht zu schätzen wissen.
Dies gilt auch für das dritte Kapitel, das zunächst die Kräfte der Selbsthilfe mobilisiert. Sehr schön, dass auch die Arbeit der Selbsthilfe gewürdigt wird und Angehörigen von Betroffenen ein zumindest kurzer Abschnitt gewidmet wird. Sehr umfassend werden hier mögliche Behandlungsformen dargestellt und diskutiert. Anhand der beigestellten, aktuellen Behandlungsleitlinien ist zudem der Stand der Forschung einsehbar.
Fazit
Die Neuerscheinung unterstützt Betroffene enorm, ihre individuelle Kompetenz zu stärken. Sowohl frisch Betroffenen als auch Menschen mit langjähriger, chronischer Erfahrung profitieren von dem Ratgeber. Kompakt aber fundiert und gut lesbar wird der Leser auf den Stand der Dinge gebracht. Dies ist umso wichtiger, weil gerade bei Tinnitus und Hyperakusis verschiedene Disziplinen in der Abklärung und Therapie ineinandergreifen, der Patient indes oft auf „Achselzuck“-Medizin trifft, die nicht über den Tellerrand blickt und so den Weg zur Linderung mitunter erschwert. Kompetente Patienten sind mithin wichtig, um Tinnitus und Hyperakusis in den Griff zu bekommen und den individuellen Weg der Linderung zu planen. Das Buch unterstützt maßgeblich dabei. Und hilft auch Angehörigen, ihre betroffenen Mitmenschen weitaus besser zu verstehen. Klare Leseempfehlung!
Rezension: Holger Crump
Ratgeber Tinnitus und Hyperakusis
Informationen für Betroffene und Angehörige
von Gerhard Goebel, Carl Thora
Reihe: Ratgeber zur Reihe Fortschritte der Psychotherapie - Band 41
ISBN: 9783801718244
1. Auflage 2019, 102 Seiten, 12,95 Euro
https://www.hogrefe.de/shop/ratgeber-tinnitus-und-hyperakusis-88663.html
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